Als Ergebnis des Referendums vom 23. Juni 2016 wird Großbritannien am 29. März 2019 aus der EU austreten. Der Brexit hat insbesondere auch für mittelständische Unternehmen erhebliche steuerliche Konsequenzen. Der Bundesverband mittelständischer Wirtschaft (BVMW) hat mit Unterstützung von Herrn Dr. Sebastian Krauß die steuerlichen Brennpunkte identifiziert.
Brexit – Handlungsbedarf in der Steuerpolitik
Mit dem Referendum am 23. Juni 2016 haben sich die Bürger des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordinland (nachfolgend: Großbritannien) zu einem Austritt aus der EU entschieden. Neben so vielen anderen Konsequenzen wirkt sich der Brexit auch unmittelbar auf die Besteuerung grenzüberschreitender Sachverhalte aus. Dies deshalb, weil eine Vielzahl steuerrechtlicher Regelungen speziell auf innereuropäische Transaktionen zugeschnitten sind und Steuervorteile sichern. Unter der Annahme eines „No Deal“-Brexit wären entsprechende Regelungen nicht mehr anwendbar.
Es ist dem BVMW ein wichtiges Anliegen, den deutschen Mittelstand in den Mittelpunkt der steuerpolitischen Diskussion zum Thema Brexit zu rücken, drängende steuerrechtliche Fragestellungen zu formulieren und Lösungsansätze vorzuschlagen. Der BVMW fordert von der Politik, dass der Brexit nicht auf dem Rücken mittelständischer Unternehmen und Unternehmer ausgetragen wird. In diesem Sinne sieht der BVMW Handlungsbedarf bei den folgenden Themen.
Die Mutter-Tochter-Richtlinie (nachfolgend: MTR) stellt Gewinnausschüttungen zwischen in der EU ansässigen Kapitalgesellschaften steuerfrei. Die Regelung trägt dem Umstand Rechnung, dass Ausschüttungen aus bereits versteuerten Gewinnen geleistet werden und erst dann erneut der Steuer unterliegen sollen, wenn sie an eine natürliche Person ausgeschüttet werden.
Ist die MTR nicht mehr anwendbar, richtet sich die Höhe der Steuerbelastung nach dem Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und Großbritannien (nachfolgend: DBA) und beträgt sodann nicht mehr 0%, sondern 5%. Damit die ausschüttende deutsche Gesellschaft den Steuerabzug aber überhaupt auf Basis des reduzierten Quellensteuersatzes in Höhe von 5% – anstatt der regulären 26,38% – vornehmen darf, ist eine Freistellungsbescheinigung zu beantragen.
Der BVMW fordert, dass
- Deutschland in der nächsten Verhandlungsrunde zum deutsch-britischen DBA eine Reduktion des 5%-igen Quellensteuersatzes auf 0% vorschlägt.
- Anträge auf die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung zügig und unbürokratisch bearbeitet werden.
Für den umgekehrten Fall regelt das DBA, dass Gewinnausschüttungen auf Ebene der vereinnahmenden deutschen Gesellschaft – wie auch zuvor unter Anwendung der MTR – steuerfrei gestellt werden. Voraussetzungen hierfür ist allerdings, dass die Gewinnausschüttung in Großbritannien tatsächlich besteuert wird (Subject-to-tax-Klausel). Während die Nichtbesteuerung in Großbritannien aufgrund der Anwendung der MTR keinen Verstoß darstellt, steht die Nichtbesteuerung aufgrund nationaler Vorschriften in Großbritannien – die nach Wegfall der MTR anzuwenden sind – der DBA-Steuerfreistellung im Wege.
Der BVMW fordert, dass die Nichtbesteuerung von Gewinnausschüttungen in Großbritannien keinen Verstoß gegen die Subject-to-tax-Klausel des deutsch-britischen DBA begründet.
Einer deutschen Oberkapitalgesellschaft können Gewinne einer ausländischen Unterkapitalgesellschaft auch ohne Ausschüttung zuzurechnen sein, wenn die Untergesellschaft – neben weiteren Voraussetzungen – in einem Niedrigsteuerland ansässig ist. Eine Niedrigbesteuerung wird ab einem Ertragsteuersatz von weniger als 25% angenommen. Dass selbst in Deutschland die Summe aus Körperschaftsteuer zuzüglich Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer die 25%-Grenze unterschreiten kann, offenbart, dass der kodifizierte Schwellenwert deutlich zu hoch angesetzt ist. EU- und EWR-Sachverhalte sind von der Hinzurechnungsbesteuerung wohlgemerkt ausgenommen, wenn die Untergesellschaft nachweislich keine Briefkastengesellschaft darstellt. Da der britische Steuersatz unter 25% liegt, werden britische Gesellschaften vermehrt in den Anwendungsbereich der Hinzurechnungsbesteuerung fallen.
Der BVMW fordert, dass der Steuersatz zur Identifikation eines Niedrigsteuerlands auf 15% gesenkt wird.
Verzieht eine natürliche Person, die an einer Kapitalgesellschaft mit mehr als 1% beteiligt ist, in das Ausland, wird ein steuerpflichtiger Verkauf der Anteile fingiert. Angehörigen eines EU- oder EWR-Staats wird die Steuer hierauf zinslos gestundet, wenn sie in einem EU- oder EWR-Staat unbeschränkt steuerpflichtig sind. Die Stundung ist zu widerrufen, wenn die unbeschränkte Steuerpflicht in einem EU- oder EWR-Staat wegfällt.
Der BVMW fordert, dass der Austritt Großbritanniens aus der EU nicht zum Widerruf der zinslosen Steuerstundung führt.
Entnimmt ein Steuerpflichtiger ein Wirtschaftsgut seines Betriebsvermögens und ordnet er es seiner in einem anderen EU-Staat belegenen Betriebsstätte zu, sind die stillen Reserven aufzulösen und zu versteuern. Auf Antrag kann die Versteuerung dieses Entnahmegewinns durch die Bildung eines Ausgleichspostens zeitlich gestreckt werden. Der Ausgleichsposten ist allerdings aufzulösen, wenn das als entnommen geltende Wirtschaftsgut aus der Besteuerungshoheit eines EU-Staats ausscheidet.
Der BVMW fordert, dass der Austritt Großbritanniens nicht zur Auflösung steuerlicher Ausgleichsposten führt.